EKKEHARD GNADLER PHOTOGRAPHIEN |
„Wunderbar eigenartig bot sich dieses San Gimignano schon von der Ebene aus dar. Und es verlor nichts von seinen seltsam originellen Reizen durch das Näherkommen. Je mehr wir stiegen, desto öfter mussten wir um der unbeschreiblich großartigen Aussicht willen stillstehen und zurückschauen. Und vollends oben, da lag vor uns ausgebreitet der ganze Garten der Toskana, von jenen fernen, beschneiten nördlichen und westlichen Apenninen herab bis nach Florenz und über uns weg nach Siena und nun weiter südlich gegen die römische Campagna hin, unzählige Hügel und Berge mit schönen horizontalen Rücken, oder Höhenketten in sanften Wellenlinien, hie und da auch ein steilerer Kegel, dazwischen wenige Städte, zahllose malerische Dörfer, Gutshäuser und Kirchen, verfallene Kastelle, so daß selbst der Kutscher, der das alles doch schon oft gesehen hatte, überwältigt ausrief: Tanto mondo! (wieviel Welt!) Ja! Wieviel Welt! reichte doch diese immense Aussicht westlich über das von Bergen verdeckte Volterra hinab beinahe bis ans Meer. Dann kehrte das Auge wieder zum Allernächsten zurück, zu der Stadt der Türme selbst, und neues Staunen erfüllte die Seele.“
Johannes von Widman, 1913, Toskana / Ein literarisches Landschaftsbild